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 © Enno Ahrens Geschichten/Aphorismen/Zitate
greatmum Offline




Beiträge: 7.842

30.06.2007 02:49
RE: © Enno Ahrens - Der gierige Rabe und das Salz Antworten

Der gierige Rabe und das Salz


Es war einmal ein Einsiedler, dessen Salzvorrat war erschöpft. Salz war damals sehr kostbar, und kein Kraut der Gegend konnte seine Würze ersetzen. Und der Einsiedler verzehrte sich danach, etwas Salz in die Suppe zu bekommen. Ja, seinen schönen Goldring hätte er dafür gegeben, obwohl dieser das einzige an Wert war, was er besaß. Überall in der Umgebung hatte der Einsiedler nach Salz herumgefragt. Vergeblich. Damals waren die Wege hier noch beschwerlich. So konnte er nicht weit kommen und musste weiterschmachten.

Bis eines Tages ein mittelloser Rabe auf der Durchreise an seiner Hütte Halt machte. Auch der Rabe hatte sein letztes Salz verbraucht und wollte gerade weiterziehen, als der Einsiedler ihn aufhielt und sprach: „Du hast nichts, und umsonst wird dir keiner von seinem kostbaren Salz geben. Ich aber besitze einen wundervollen Ring. Wenn du jemanden findest, der sein Salz gegen den Ring eintauscht, soll es gerecht zwischen uns geteilt werden. Ich suchte vergeblich nach Salz in der Gegend. Für dich ist es aber leichter; du kannst fliegen und kein Stein auf deinem Weg hält dich auf.“

Der Rabe aber war gierig und feilschte mit dem Einsiedler, um Profit aus der Sache zu schlagen und erwiderte: „Es ist eine schwierige Aufgabe, die all meine Kräfte erfordert. Und ich wäre wohl einverstanden, wenn du, lieber Einsiedler, mich bis an mein Lebensende außerdem noch bekochen würdest und freie Logis bei dir gewährst.“
Der Einsiedler gab sich schließlich geschlagen: „Nun gut“, sagte er, „auf einen Teller Suppe mehr soll es mir nicht ankommen.“
„Gut“, entgegnete der Rabe und wollte gleich den Ring auf die Suche mitnehmen. Aber soviel Vertrauen schenkt keiner einem so gierigen Raben. So flog er ohne den Ring los. Und nach einer Woche hatte der Rabe einen Salzhändler gefunden, der die zwei reichlich mit Salz versorgen wollte, wenn sie nur einen geeigneten Ring für seine Angebetete brächten.

Gemeinsam machten sich also der Rabe und der Einsiedler auf den Weg zum Salzkaufmann. Der besaß zwar einige Ringe, aber seine Liebste sollte den Schönsten haben, und als er den Ring vom Einsiedler erblickte war er entzückt und das Geschäft wurde wie vereinbart besiegelt. Und der Einsiedler schleppte das Salz in einer Kiepe auf seinem Rücken nach Hause.

Unterwegs stichelte der Rabe sofort wieder vor Gier und sagte zum Einsiedler: „Wenn ich nicht gewesen wäre, du wärest wohl niemals mehr in den Geschmack würzigen Salzes gekommen. Dafür gebührt mir eigentlich ein größerer Anteil.“
Aber der Einsiedler warf ein: „Hätte ich nicht den goldenen Ring gehabt, du hättest ebenfalls verzichten müssen.“

Der Rabe aber stritt weiter. Er konnte eben in allem nie genug kriegen. Da er aber, wie abgemacht, vom Einsiedler mit verköstigt wurde und sie ihr Essen zu gleichen Portionen aus einem Topf schöpften, wurde zwangsläufig auch das darin gelöste Salz gerecht verteilt.

Der Einsiedler jedoch war ein Schelm und so streute er dem gierigen Raben, als sie bereits gemütlich bei Tisch saßen, immer zusätzlich eine Prise Salz auf den vollen Teller. So war sein Essen eben jedes Mal einen winzigen Anteil salziger, und der Rabe konnte nicht so recht einen Genuss dabei finden und schluckte es mit mürrisch verzogener Miene herunter. Er mochte nichts sagen, denn schließlich hatte er nach mehr verlangt, und er hatte seinen Stolz und quälte sich hin.

© Enno Ahrens

Wer von sich behaupten kann, er sei ohne Fehler - ist selbst einer!



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