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Dieses Thema hat 0 Antworten
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 Worte / Geschichten / Gedichte, die zum Nachdenken anregen
greatmum4 Offline




Beiträge: 2.558

03.07.2006 01:46
RE: Spiegel Antworten

[...] Die sogenannte Umwelt ist in Wirklichkeit ein Spiegel, in dem jeder Mensch lediglich sich selbst erlebt. Er kann niemals etwas anderes als sich selbst erblicken, weil er aus der wahren, objektiven, für alle Menschen gleichen Gesamtwirklichkeit nur jenes herausfiltert, für was er selbst eine Affinität hat. Wer sich dieser Tatsache nicht bewußt ist, verfällt zwangsläufig in irrtümliche Verhaltensweisen.

Wenn ich am Morgen in den Spiegel schaue und in diesem Spiegel ein Gesicht erblicke, das mich unfreundlich anblickt, so kann ich dieses Gesicht wegen seiner Unfreundlichkeit kräftig beschimpfen. Davon läßt sich das Gesicht im Spiegel jedoch keinesfalls beeindrucken, sonder schimpft vielmehr kräftig mit. Auf diese Weise ist es eine Leichtigkeit, sich weiterhin gegenseitig zu eskalieren, bis ich schließlich in das verbissene Gesicht schlage und den Spiegel zertrümmere. Mit dem Badezimmerspiegel wird jedoch niemand dieses Spiel treiben, weil wir uns seiner Spiegelfunktion bewußt sind. Doch fast alle Menschen zelebrieren im täglichen Leben den beschriebenen Vorgang mit Verbissenheit. Sie kämpfen gegen ihre Feinde in der Umwelt, gegen die bösen Nachbarn und Verwandten, gegen die Ungerechtigkeiten ihrer Vorgesetzten, gegen die Gesellschaft und vieles mehr.

Alle kämpfen in Wirklichkeit nur gegen sich selbst. [...] Wird sich der Mensch der Spiegelfunktion seiner Umwelt bewußt, so erwächst ihm hieraus eine ungeahnte Informationsquelle. Auch wenn man im Spiegel immer nur sich selbst sehen kann, so benutzen wir doch einen Spiegel deshalb, weil er uns Teile von uns selbst zeigen kann, deren Anblick für uns ohne dieses Hilfsmittel unmöglich wäre.

So ist auch die Beobachtung der eigenen Umwelt und der Ereignisse, mit denen man konfrontiert wird, eine der besten Methoden zur Selbsterkenntnis, denn alles, was in der Außenwelt stört, zeigt lediglich an, daß man selbst mit dem analogen Prinzip in sich selbst noch nicht ausgesöhnt ist. Dies will der Mensch ungern warhaben. Doch die Tatsache, daß sich jemand über den Geiz eines anderen aufregt, zeigt mit Gewißheit an, daß er selbst geizig ist. Sonst könnte es ihn doch nicht stören. Wenn er selbst großzügig ist, was kümmert ihn dann der Geiz anderer? Er könnte ihn als Tatsache hinnehmen, ohne sich darüber aufzuregen und sich gestört zu fühlen.

[...] Der Mensch brauch nur sich selbst zu ändern, und siehe, die ganze Welt verändert sich mit ihm. Wenn ich im Spiegel das unfreundliche Gesicht sehe, brauche ich nur zu lächeln - und es wird zurücklächeln, mit Sicherheit!

Aus "Schicksal und Chance -
Liebe als Wanderung zwischen Bindung und Rückkehr"
von Henry G. Tietze (ISBN 3548344526)

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